Kasus im Lateinischen
Einführung
Was ist ein Kasus?
- Eine morphologische Markierung syntaktischer Rollen von Substantiva und Adjektiva in einem Satz.
- Also: Der Kasus sagt, welches Wort was im Satz genau macht – der Nominativ kennzeichnet das Subjekt, das die Handlung ausführt, etc.
Kasus und Deklination
- Substantive und Adjektive werden durch ihre Kasus dekliniert.
- Kasus / casus = Fall, declinare = hinunterbeugen, wegbeugen. Der Nominativ ist der casus rectus (der ‘gerade’ Fall), von dem die anderen weggebeugt werden, deswegen sind die auch ‘schief’ (oblique Kasus).
- Diese Metaphern gibt es wohl schon seit der Stoa. Es gibt verschiedene Erklärungsversuche für diese Metapher(n).
Wie viele Kasus hat das Lateinische?
- Meistens sechs: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Ablativ, Vokativ + letzte Überreste Lokativ.
- In der Antike (= in Varros De lingua Latina) gab es diese sechs. In der Spätantike taucht mitunter ein septimus casus auf (dazu beim Ablativ mehr).
- Im Indoeuropäischen gibt es acht Kasus: acht Stück: Nominativ, Genetiv, Dativ, Akkusativ, Ablativ = Separativ, Vokativ, Lokativ, Instrumentalis
Mehr Terminologie
- Valenz und Rektion: Mit welchem Kasus stehen bestimmte Verben? Manche Verben zwei mögliche Kasus und ändern dabei ihre Bedeutung (z.B. consulere + Dativ = für jemandem sorgen, consulere + Akkusativ = jemanden um Rat fragen), bei anderen hängt es von der Art des Objekts ab (meminisse heißt immer sich erinnern, aber an Personen erinnert man sich im Genitiv und an Dinge meist im Akkusativ).
- KNG-Kongruenz: Wenn Substantive und zu ihnen gehörige Adjektive in Kasus, Numerus und Genus übereinstimmen.
- Kasusfunktion: kleinteiligere Unterscheidung der unterschiedlichen Verwendungen einzelner Kasus, insbesondere beim Genitiv und Ablativ. An sich eine sinnvolle Idee, kann aber auch zu kleinteilig werden und/oder den Blick auf die Bedeutung eines Kasus in einem bestimmten Satz/Vers verengen.
Nominativ
- Der langweilige Kasus – kann nur eine Sache, nämlich das Subjekt markieren (wer oder was?).
- Im Nominativ steht alles, was mit dem Subjekt kongruent ist. That’s it.
- Beliebte Fehlerquelle: Kongruenz ist im Lateinischen teilweise stärker als im Deutschen. Vgl.: Das ist die Sonne – Lat. hic est sol, wo hic die maskuline Form ist in KNG-Kongruenz zu sol.
- Es gibt auch den Fall, dass das Pronomen im Neutrum steht wie im Deutschen, vor allem, wenn nach Definitionen gefragt wird, z.B. quid est ueritas? (Was ist Wahrheit?), wo quid die neutrale Form ist und nicht kongruent zum femininen Substantiv ueritas.
- NcI (Nominativus cum infinitivo):Verbalkonstruktion, die es im Deutschen nicht gibt, im Englischen z.B. schon: Laura is said to be prudent = Laura prudens esse dicitur.
- Auf Deutsch muss umschrieben werden: Von Laura wird gesagt, dass sie klug sei oder Man sagt, dass Laura klug sei.
Vokativ
- Der Kasus für die direkte Anrede.
- Seltener Kontext und in der Form fast immer identisch mit dem Nominativ.
- Ausnahme: Bei den Substantiven/Adjektiven auf -us der o-Deklination und denen auf -ius: Endung -e bzw. -i. Beispiel: Marce Tulli ist der Vokativ von Marcus Tullius.
- Griechische Namen werden in lateinische Deklinationen einsortiert und bekommen ihren Vokativ daher, z.B. gehört Aeneas dann zur a-Deklination (wie amica) und der Vokativ ist entsprechend Aenea.
- Meist für Eigennamen; manchmal werden auch Dinge direkt angesprochen, z.B. adeste, hendecasyllabi (Cat. 42.1, steht mir bei, ihr Elfsilbler).
- Partizipien können auch im Vokativ stehen, z.B. o passi grauiora (Verg. Aen. 1.199, oh ihr, die ihr schon Schlimmeres überstanden habt) oder moriture, Delli (Hor. c. 2.3.4, Dellius, der du sterben wirst).
- Theoretisch muss man aufpassen, weil die Endung -e doppelt vorkommt, im Vokativ der o-Dekl. (dann ist das e kurz) oder als Adverb (dann ist das e lang). Praktisch sollte aus dem Kontext klar werden, ob gerade jemand angesprochen wird oder nicht.
non populi gentesque tremunt, regesque superbi
corripiunt divum percussi membra timore,
ne quod ob admissum foede dictumve superbe
poenarum grave sit solvendi tempus adactum? (Lucr. 5.1222–5)
Erzittern nicht ganze Gemeinschaften und Völker, zucken nicht überhebliche Könige am Körper aus Angst vor den Göttern zusammen, dass nicht wegen einer hässlichen Tat oder etwas überheblich Gesagten die schwere Zeit, Buße zu leisten, gekommen sei?
Akkusativ
- Schließt hier an, weil Latein zu den Nominativ-Akkusativ-Sprachen gehört (soll heißen, diese beiden Kasus hängen eng zusammen und bestimmen über Diathese, also Aktiv und Passiv, wesentlich die Struktur der Sprache).
- Ja, der Akkusativ kommt von accusare (beschuldigen), und nein, das hat Varro nicht falsch übersetzt. Siehe Taylor 2018.
- Wichtigste Aufgabe des Akkusativ: Markierung des (direkten) Objekts (wen oder was?), also wem die Handlung passiert (im aktiven Satz).
Transitivität
- Verben mit Akkusativ-Objekt bezeichnet man als transitiv, weil dieses Akkusativ-Objekt zum Subjekt wird, sobald man den Satz ins Passiv umwandelt (sogenannte Passiv-Transformation),
- zum Beispiel: Cicero Milonem laudat (Cicero lobt Milo) → Milo a Cicerone laudatur (Milo wird von Cicero gelobt).
- Das nennt sich auch persönliches Passiv, weil sich die Passivform laudatur an Milo angleicht. Wären es z.B. die Senatoren, die von Cicero gelobt würden, wäre es senatores laudantur im Plural.
- Intransitive Verben ohne Akkusativ-Objekt haben folglich kein Objekt, das im passiven Satz zum Subjekt werden kann, und bilden deswegen auch kein persönliches, sondern nur ein unpersönliches Passiv, z.B. itur (es wird gegangen).
- Das gilt auch für Verben, die nur ein Dativ-Objekt haben, z.B. studere (sich um etwas bemühen). Da bleibt das Dativ-Objekt einfach stehen: philosophiae studemus (wir bemühen uns um die Philosophie) → philosophiae a nobis studetur (um die Philosophie wird sich von uns bemüht).
- Alles, was sich auf das Objekt bezieht, steht auch im Akkusativ, z.B. Lauram prudentem puto (Ich halte Laura für klug), ein sogenannter doppelter Akkusativ.
AcI (Accusativus cum infinitivo)
- Verbalkonstruktion, eng verwandt mit dem NcI. Beim AcI ist eine ganz Verbalhandlung das Objekt.
- Wenn also mehrere Leute sagen, dicunt, dass Laura klug sei, dann tritt der ganze Sachverhalt in den Akkusativ: Lauram prudentem esse dicunt.
Akkusativ der räumlichen oder zeitlichen Ausdehnung
- wie lange / wie weit entfernt?
- z.B. multos annos (viele Jahre lang) oder mille passus (eine Meile lang/entfernt).
Akkusativ als Richtungsangabe
- wohin?
- Meist mit der Präposition in, z.B. in urbem (in die Stadt), bei Städten und kleinen Inseln ohne Präposition, z.B. Romam (nach Rom).
- Das ist nicht nur für heutige Stilklausuren eine Frage, sondern es hat auch Atticus und Cicero beschäftigt, ob Piräus als Stadt (ohne in) oder als Gegend (mit in) zu bewerten sei (Att. 7.3.10).
- Unterschiede beachten: Auf Deutsch kommen wir in Rom an (wo?), auf Latein Romam peruenimus (wohin?).
- Ortsangaben (wo?) stehen im Ablativ.
Accusativus Graecus
- Akkusativ der Beziehung, übernommen aus dem Griechischen, meist in der Dichtung.
- Drückt auch eine “Ausdehnung” eines Begriffs auf einen anderen aus, z.B. latus exserta (mit entblößter Flanke).
Innerer Akkusativ
- Wenn ein eigentlich intransitives Verb durch ein sinnverwandtes Objekt ergänzt wird, meist von der gleichen Wortwurzel, z.B. uitam uiuere (das Leben leben).
Genitiv
- In der „traditionellen“ Ordnung der 2. Kasus.
- Früh wichtig beim Vokabellernen, weil von Substantiven immer Nominativ und Genitiv gelernt werden muss, um ...
- ... die Deklination mitzulernen (numerus numeri o-Dekl., casus casus u-Dekl.)
- ... alle Formen bilden zu können, da gerade in der 3. Dekl. der Nominativ nicht unbedingt Aufschluss darüber gibt, wie die anderen Formen aussehen.
- (und später ist eine der „beliebtesten“ Formenfragen, ob der Genitiv Plural der 3. Dekl. auf -um oder -ium endet)
- Genitiv von gignere, gebären, in antiker Grammatik (z.B. bei Varro) auch mal casus patricus oder patrius: Abstammung und Zugehörigkeit schwingen mit.
- Frage standardmäßig: „Wessen?“ („Wessen Buch ist das? Das Buch der Freundin“, liber amicae, laut Kasusfunktion Genitivus possessivus / possessoris.)
- Oft und eigentlich besser als Kasus des Bereichs bezeichnet. Ordnet ein Nomen (= Substantiv oder Adjektiv) in den Bereich eines anderen ein. Sehr viele Verwendungen des Genitivs erklären sich genau daher.
Häufige Verwendungen
- Zum Unterschied zwischen subiectivus und obiectivus am Beispiel metus Romanorum: Sind die Römer das Subjekt, das die Angst hat („die Angst der Römer“) oder das Objekt, vor dem die Angst herrscht („die Angst vor den Römern“)? Nur nach Kontext entscheidbar.
- Im Lateinischen steht oft ein Genitiv, wenn im Deutschen ein Präpositionalausdruck wie „vor den Römern“ steht. Der Genitiv im Lateinischen ist flexibler einsetzbar.
- Das heißt aber nicht, dass es solche Präpositionalausdrücke im Lateinischen nicht gibt (und auch nicht nur in „geschlossener Satzstellung“). So kann „die Liebe zu den Eltern“ amor parentium sein, kann aber eindeutiger mit einer Präposition (amor erga / in parentes) ausgedrückt werden – je nach Kontext und Vorliebe des Autors.
- Wenn ein Teil aus einer Gesamtmenge benannt wird, kommt der Genitivus partitivus („besser“ Genitivus materiae / totius) zum Einsatz: „ein Teil der Freundinnen“ pars amicarum.
- Diese Verbindung zweier Nomina geht im Lateinischen noch weiter weiter, z.B. bei Adjektiven wie „nichts Neues“ nihil noui. (Wohlgemerkt nur mit Adjektiven der a/o-Deklination, nicht der 3., „was erwartet ihr noch“ quid expectatis amplius in KNG zu quid).
- Auch hier können stattdessen Präpositionalausdrücke stehen, z.B. bei einem umständlichen Genitiv („wenige von den Unsrigen“ pauci e nostris statt nostrorum), wenn kein Genitiv vorliegt („niemand von den zehn“ nemo ex decem, weil decem indeklinabel ist), oder weil die Kongruenz doch vorgezogen wird („die meisten Schiffe“ geht auf mehrere Weisen: pleraeque naues / pleraeque nauium / pleraeque ex nauibus).
- Französisch und Italienisch z.B. haben de+Ablativ ererbt (z.B. plus de bzw. più di).
- Der Genitiv kann etwas näher beschreiben, die Beschaffenheit, sogenannter Genitivus qualitatis. Aeneas wäre z.B. ein Mann von höchstem Pflichtgefühl, uir summae pietatis. Dieser Genitiv muss immer selbst ein Attribut haben, in diesem Fall summae. Der Ablativus qualitatis existiert (ohne Bedeutungsunterschied) parallel.
- Der Genitiv kann für Begriffsbestimmungen dienen, sogenannter Genitivus definitivus oder epexegeticus: „das Wort ‚Freundschaft‘“ ist uox amicitiae (auch hier wieder Verbindung von zwei Nomina). Randerscheinung.
Genitiv bei Verben, (Adjektiven) und Präpositionen
- Es gibt einige Verben oder Verbgruppen, die mit Genitiv stehen, allerdings längst nicht so viele wie im Griechischen. Wichtig sind im Lateinischen vor allem Verben des Erinnerns und Vergessens, bei Personen mit Genitiv („ich erinnere mich an die Freundin“ amicae memini), bei Sachen mit Genitiv oder gerne Akkusativ („ich erinnere mich an das Unrecht“ iniuriam memini).
- Aus Gründen der Eindeutigkeit steht bei Pronomina im Neutrum Singular (z.B. id „dieses“) und Adjektiven im Neutrum Plural (z.B. multa „vieles / viele Dinge“) eigentlich immer der Akkusativ, egal, was sonst an Valenzregeln gilt („ich erinnere mich daran“ id memini; „ich erinnere mich an vieles“ multa memini). Der Genitiv Neutrum eius bzw. multorum könnte auch maskulin sein (und ist außerdem eine längere, umständlichere Form, insbesondere multorum).
- Bei unpersönlichen Ausdrücken (me piget pudet paenitet, me taedet atque miseret) steht das, was mich verdrießt, beschämt, reut, verdrießt oder was ich bedauere im Genitiv, z.B. „mich verdrießt die Philosophie“ philosophiae me taedet.
- Es gibt auch einen Merkspruch zu Adjektiven, die mit Genitiv stehen (begierig, kundig, eingedenk, teilhaftig, mächtig, voll – und ihre Gegenteile), wobei das nicht unbedingt stimmt. „Voll“ plenus steht auch mit Ablativ, das Gegenteil „leer“ uacuus steht bei Cicero eigentlich immer mit Ablativ. Einige dieser Adjektive sind sehr selten und kommen dann oft in bestimmten Kontexten vor („mächtig“ hier compos, eigentlich nur compos mentis). Nicht der nützlichste Merkspruch.
- Einige wenige Präpositionen (genauer gesagt Postpositionen) stehen mit Genitiv: causa und gratia, beide „um … willen“, z.B. ars artis gratia „Kunst um der Kunst willen“. Außerdem selten: tenus „bis … hin“ (Vergil, Georg. 3.53 crurum tenus „bis zu den Beinen“).
Seltenere Verwendungen
- Bonus-Anwendung des Genitivus possessivus mit esse als Angabe einer Aufgabe oder eines Zeichens von etwas, sed uestrae sapientiae est „es ist Zeichen von / Aufgabe eurer Weisheit“. (Zum Genitiv der Personalpronomina hier und anderswo, s.u.).
- Bei Wertangaben steht der sogenannte Genitivus pretii. Das deutsche „schätzen“ z.B. ist schon positiv, das lateinische aestimare ist neutral, „einschätzen“. Soll es positiv werden, muss eine Wertangabe im Genitiv dazu, also magni aestimare. Kommt grundsätzlich in Quantitätsadjektiven vor.
- Bei Kaufhandlungen steht der Preis zwar an sich im Ablativ, aber bei vergleichenden oder fragenden Angaben doch im Genitiv („für wie viel hast du das gekauft“ quanti emisti).
- Im Gerichtskontext steht das Verbrechen, um das es geht, meist im Genitiv, sogenannter Genitivus criminis (quasi der Bereich, um den es im Prozess geht, „wegen Verrates anklagen“ proditionis accusare).
- Alternative ist mal wieder de+Ablativ (wenn es keinen Genitiv gibt, de ui, oder wenn die Genitiv-Endung lang und schwerfällig wäre, de repetundis).
- Die Strafe steht im Ablativ, mit der Ausnahme capitis damnare „zum Tode verurteilen“.
- Selten: Genitiv bei interest / refert, jemandem ist an etwas gelegen. Das, woran etwas liegt, steht dabei im Infinitiv. „Der Sieg ist im Interesse der Römer“ Romanorum interest uincere.
Randnotiz zum Genitiv der Personalpronomina
- Endet grundsätzlich auf -i (mei, tui, nostri, uestri, sui), unabhängig vom Geschlecht.
- Dazu gibt es wenige Ausnahmen, vor allem: Die Teilangabe endet auf -um („wer von uns / euch“ quis nostrum / uestrum).
- Und es gibt ein paar Fälle, wo kein Genitiv steht, sondern ein Possessivpronomen, vor allem natürlich bei der Besitzangabe („mein Buch“ liber meus).
- Ein Possessivum ist auch das Mittel der Wahl bei der Verwendung mit esse (dann kommt Neutrum Singular Nominativ „es ist meine Aufgabe“ meum est), bei der Verwendung mit causa und gratia (logischerweise, da es sich um „erstarrte“ Substantive, aber irgendwo immer noch Substantive handelt, demzufolge auch in KNG dazu Feminin Singular Ablativ, „um meinetwillen“ mea causa) und bei interest / refert (ohne jede logische Erklärung ebenfalls im Feminin Singular Ablativ, „es liegt in meinem Interesse“ mea interest).
Ein paar schöne Genitive aus der Literatur
- Vergil, Aeneis Buch 5.384 (vgl. unsere Deep Dive Folge zu Buch 5): quae finis standi „welches Ende des Stehens gibt es“ = „wie lange soll ich hier denn noch rumstehen??“
- Wird gerne als epexegeticus definiert, einer der Gründe, die Casear zum Krieg angestachelt haben (Bellum Gallicum 3.10): iniuria retentorum equitum Romanorum, „das Unrecht, das darin bestand, dass die römische Reiterei zurückgehalten worden war“.
- Horaz c. 1.22.1: Integer uitae scelerisque purus (ähnlich wie bei uacuus), „unbescholten im Leben [unbescholten im Bereich des Lebens] und von Verbrechen frei“.
- Horaz c. 3.30.10-12: et qua pauper aquae Daunus agrestium / regnauit populorum, „und wo Daunus, arm an Wasser, über ländliche Völker geherrscht hat“.
Dativ
- In der „traditionellen“ Ordnung der 3. Kasus.
- Erster Berührungspunkt als indirektes Objekt (im Dt. wie im Lat.).
- Dativ von dare, geben. Frage standardmäßig: „wem?“ („Wem gebe ich das Buch? Ich gebe dir das Buch.“ Librum tibi do.
- Der Dativ bezeichnet die Person (oder seltener das Ding), „der eine Handlung gilt“ (laut RHH § 123) oder besser die an der Handlung (noch) beteiligt ist, aber eben weder als Subjekt (das steht im Nominativ) noch als direktes Objekt (das steht im Akkusativ wie oben das Buch, librum).
- Das indirekte Dativ-Objekt kann bei Verben stehen, die auch einen Akkusativ haben (transitive Verben) wie geben, dare. Es gibt aber auch Verben, die nur einen Dativ haben (intransitive Verben), z. B. nützen, prodesse. Das Buch nützt dir, liber tibi prodest.
- Manche Verben sind im Dt. transitiv, ihre lat. Entsprechung ist aber intransitiv, z.B. jemanden überzeugen, alicui persuadere.
- Wenn man will, kann man versuchen, das über die Beteiligung zu erklären: Die Handlung ist eine Überzeugung und an der ist dann noch jemand beteiligt; der wird überzeugt.
- (Randnotiz zum Problem, dass überzeugen mit AcI und überreden mit ut-Satz steht bei persuadere: überzeugen mit AcI).
- vgl. den Unterschied zwischen zwei Verben für heilen, sanare (mit Akkusativ) und mederi (mit Dativ) laut Menge, Synonymik (93): sanare = heil, gesund machen, bes. von Wunden und äußeren Übeln, eigentlich wie tropisch mit Hervorhebung des Endresultats | mederi = sachkundig durch zweckentsprechende Behandlung heilen, von der Tätigkeit des erfahrenen Arztes mit Hervorhebung des glücklichen Erfolgs, auch bildlich.
- Eine Ausnahme können weiterhin (s.o. beim Genitiv) Pronomina im Neutrum Singular sein, die gerne im Akkusativ stehen bleiben: ich bemühe mich um die Philosophie, philosophiae studeo, aber ich bemühe mich darum, id studeo.
- Intransitive Verben bilden kein persönliches Passiv (weil sie für eine Passiv-Transformation einen Akkusativ bräuchten, s.o.). Stattdessen geht nur ein unpersönliches Passiv in der 3. Singular, philosphiae studetur (um die Philosophie wird sich bemüht).
- Bei Komposita kann gerne ein Dativ stehen (RHH § 125 „nicht selten jedoch ist der Dativ auf die übertragene Bedeutung beschränkt“) oder das Präfix wird als Präposition wieder aufgegriffen, z. B. mit etwas vergleichen, componere alicui rei oder cum aliqua re. Die Entscheidung fällt hier vermutlich nach pers. Geschmack, Satzrhythmus und Eindeutigkeit.
- Bei Verben, die je nach Bedeutung mit Dativ oder Akkusativ stehen, kann man sich auch mit Beteiligung helfen. Wenn ich direkt Angst vor etwas habe, ist es ein Akkusativ (ich fürchte die Römer, Romanos timeo). Wenn die Handlung meine Angst ist und daran noch jemand beteiligt ist, um den ich diese Angst habe, dann steht der Dativ (ich fürchte um die Römer, Romanis timeo). Ebenso beim Kontrast von caue canem (hüte dich vor dem Hund, direkt, Akkusativ) und alicui cauere (sich um jemanden sorgen, Beteiligung an der Handlung der Sorge, Dativ).
- Außerdem gibt es Adjektive, die mit Dativ stehen, die auch über Beteiligung erklärt werden können, z. B. angenehm, iucundus oder geeignet, aptus.
- Im Wechsel mit Genitiv bei (un)ähnlich, (dis)similis, nicht unumstritten, wann welcher Kasus steht (s. RHH § 135; Georges s.v. similis). Bei Personalpronomen den Genitiv nehmen (z. B. Cicero, Pro Caelio 50, tui dissimilis, dir unähnlich).
- Was die „traditionellen“ Kasusfunktionen des Dativs angeht: Es geht immer um den Dativ, der an der Handlung beteiligt ist.
- Dativus (in)commodi: Bezeichnet eine Person, für die die Handlung ein Vorteil/Nachteil ist (quasi Dativ-Objekt bei Verben, die kein Dativ-Objekt haben), also auch beteiligt – „für wen?“. Wird manchmal als Erklärung für die Verben verwendet, die sonst mit Akk stehen wie cauere oder timere (s. o.).
- Randnotiz für Deutsch-Latein-Klausuren: Wenn im Dt. ein „für“ steht, sollte die erste Überlegung sein, ob das mit einem Dativ geht. Die lat. Präposition pro heißt zwar auch „für“, aber (im klass. Latein) in der Regel im Sinne von „anstelle von“ (so in den Titeln von Ciceros Reden wie Pro Caelio, oder in Cael. 33 pro me loquatur - er soll für mich sprechen = er soll an meiner Stelle sprechen).
- Dativus possessivus: Besitz ist eigentlich Aufgabe vom Genitiv (s. o., Zugehörigkeit), aber wenn an der Handlung des „Seins“ eine Person beteiligt ist, dann kann diese Person der Besitzer sein (sie hatten keine Hoffnung, eis nulla spes erat).
- Bei konkretem (RHH § 127.3: materiellem) Besitz ist der Dativ eher unüblich. Wenn ich dir das Buch gegeben habe und du es jetzt hast, dann librum habes oder tuus liber est.
- Dativus finalis: Der Zweck (auf den die Handlung abzielt), „wozu?“, auch gerne bei esse wie laudi esse, lobenswert sein, bei dare im Sinne von anrechnen, uitio dare, als Fehler anrechnen, und in ein paar (seltenen, militärischen) Phrasen wie auxilio uenire, zur Hilfe kommen. Auch diese Dative sind „noch an der Handlung beteiligt“.
- Mit esse („gereichen zu“ laut RHH und Janas DL1-Materialien, nicht als Übersetzung aber als überaus hilfreiche Hilfskonstruktion /s) beim sog. doppelten Dativ, z. B.: das ist mir eine Freude, id mihi gaudio est: An der Existenz von dieser Sache (id est) sind also noch zwei Dinge beteiligt: ich und die Freude.
- Wir halten fest: Dative können aufeinander geschachtelt werden und wie die Art der Beteiligung konkret aussieht, bestimmt der Kontext.
- Dativus auctoris: Gibt die handelnde Person an bei einer Passivkonstruktion, was eigentlich Aufgabe des Ablativs ist.
- Manchmal kann stattdessen der Dativ stehen, weil: es ein Gräzismus ist (der Dativ ist im Gr. die reguläre Ausdrucksweise, Smyth 1488 ff.), weil der Autor das mag oder weil es gerade besser klang (ex ea disputatione quae mihi nuper habita est in Tusculano, Cic. Tusc. 2.2).
- Im Lat. ist der Dativ die Regel beim Gerundivum mit esse, liber mihi legendus est, ich muss das Buch lesen.
- Sollte es Verwechslungsgefahr mit einem Dativ-Objekt geben, steht dann doch der Ablativ (Eindeutigkeit). Es ist aber nicht auszuschließen, dass sowohl ein Dativ-Objekt als auch ein Dativus auctoris stehen, je nach Kontext.
- Dativus ethicus: Randerscheinung, „besondere innere Anteilnahme des Sprechenden an der Handlung“ (RHH § 127.1, gilt für sie als umgangssprachlich), also jemand beteiligt sich selbst an der Handlung, tu mihi istius audaciam defendis? Du verteidigst mir seine Kühnheit auch noch?
- Dativus iudicantis: Randerscheinung, „bezeichnet den örtlichen oder geistigen Standpunkt, von dem aus die Aussage Gültigkeit hat“ (RHH § 127.2), z. B. forum intrantibus curia a dextra est, aus Sicht derjenigen, die das Forum betreten, ist die Kurie rechts.
- Zur ewigen Frage „Ist das ein Dativ oder ein Ablativ?“ (weil die Formen oft gleich aussehen): Das erklärt sich eigentlich aus dem Kontext und Lesefluss (und wenn es mal uneindeutig sein sollte, ist das wahrscheinlich gewollt, s. u.). Für mehr Infos siehe unsere Folgen zur Übersetzungspraxis (Folge 14) und zur Cicero-Lektüre auf Latein (Folge 26).
- Noch ein paar Beispiele für Dative:
- huic monstro Volcanus erat pater, Aen. 8. 198: Der Dativ klingt hier nicht nur besser als der Genitiv (huius monstri), er setzt das Monster Cacus auch eindrücklicher in Beziehung mit Volcanus und damit dem Feuer, das im 8. Buch an dieser und anderen prägnanten Stellen wichtig wird (siehe unsere Deep Dive Folge zum 8. Buch der Aeneis).
- quam petitis iuncta est mihi foedere dextra, Aen. 8.169: Euander sagt damit Aeneas, dass die Trojaner sich nicht um ein Bündnis mit ihm und den Arkaden bemühen müssen, weil es schon längst besteht. Ob Euander seine Beteiligung (mihi) hier als Objekt zum Passiv iuncta est versteht (ist mit mir verbunden), ob diese Verbindung aus seiner Sicht besteht oder ob er sich sogar irgendwie als Urheber sieht (Dat. auctoris)? Alles ist möglich. Im Kontrast dazu ibid. 514-515 hunc tibi … Pallanta adiungam – wo Aeneas’ Rolle (tibi) als Ersatz-Vater für Pallas aus dem Kontext/Werk klar ist, und Euanders einzige wirklich aktive Beteiligung am Krieg (adiungam) fatal enden wird.
- sume superbiam / quaesitam meritis, Hor. c. 3.30.14-15: Ein Beispiel, wo meritis sowohl Dativ als auch Ablativ sein könnte. Wurde der Stolz erworben durch den Verdienst, für den Verdienst, vom Verdienst, …?
- Und noch das Beispiel, das der alte Georges (s.v. similis) für ein Nebeneinander von Dativ und Genitiv bei Cicero erwähnt (Grund ist wahrscheinlich auch hier, dass es einmal so und einmal anders herum besser klingt), Cic. nat. 1.90: Nec vero intellego cur maluerit Epicurus deos hominum similes dicere quam homines deorum. Quaeres quid intersit; si enim hoc illi simile sit, esse illud huic.
Ablativ
- In der „traditionellen“ Ordnung der fünfte (oder sechste) Kasus (wohl je nachdem, ob man die Tabellen auswendig runterrattern musste oder nicht).
- Oft schwierig, weil es ihn im Deutschen nicht gibt und weil er sehr viele (Kasus-)Funktionen hat. In Deutsch-Latein auch wegen der ewigen Frage „Präposition ja oder nein?“
- Im Ablativ sind drei indoeuropäische Kasus „zusammengefallen“: der Instrumentalis (womit/wodurch), der Lokativ (wo/wann) und der Separativus (von wo) – letzterer auch gerne der „echte“ Ablativ (ablatiuus von auferre, wegtragen).
- Randnotiz: In der spätantiken Grammatik gibt es manchmal neben dem Ablativ noch einen septimus casus (s. Uría, Javier: Septimus casus: The history of a Misunderstanding from Varro to the Late Latin Grammarians. In: Journal of Latin Linguistics 2017).
- Kann es überhaupt die eine Bedeutung für den Ablativ geben? Wenn, dann manchmal Begleitumstände oder besser Einordnung in einen Referenzrahmen. Die genaue Bedeutung hängt vom Kontext ab.
- Generell zur Frage „Präposition ja oder nein?“ 1. Steht eine Person im Ablativ? Ja – wahrscheinlich Präposition. Nein – 2. Ist die Bedeutung des Ablativs in diesem Satz vom Kontext her eindeutig (vor allem, wenn es KEIN Instrumentalis sein soll)? Ja – Präposition eher weglassen. Nein – Präposition setzen, um es eindeutig(er) zu machen.
- Randnotiz zur Eindeutigkeit: Hängt oft mit der Frage „Klingt das gut?“ zusammen (nur ein einzelnes Wort im Ablativ ist oft zu wenig).
- Manchmal ist der Ablativ auch einfach eine Alternative zum Genitiv (z. B. Genitivus und Ablativus qualitatis ohne wirklichen Bedeutungsunterschied, Genitivus oder Ablativus pretii je nachdem, welche Art Zahlwort das ist: vergleichende im Genitiv).
Ablativus separativus
- Ablativ der Trennung: „wovon / woher?“
- Bei Städten und kleinen Inseln ohne Präposition (aufbrechen aus Athen, Athenis proficisci, aber aus Britannien, ex Britannia).
- Ablativus originis: Übertragener Ausgangspunkt = Herkunft. Hier Personen u. U. ohne Präposition (Ioue natus), bei direkten Eltern kann ex stehen, beim Stand ohne Präposition (nobili genere natus).
- Bei Verben des Beraubens (z. B. priuare) und entsprechenden Adjektiven (z. B. frei, uacuus) meist ohne Präposition; mit Präposition z. B. bei Komposita mit dis- oder se- (dissentire, anderer Meinung sein), weil Präfixe gerne durch Präpositionen aufgenommen werden.
- Abweichende Raumvorstellungen z. B. bei anfangen bei, incipere ab aliqua re.
- Ablativus comparationis: Vergleich mit Vergleichsgegenstand als Referenzrahmen, ich bin größer als der Bruder, maior sum fratre (oder quam frater; der Abl. comp. ist austauschbar mit quam, wenn das, was hinter quam kommt, im Nominativ oder im Akkusativ stehen würde).
Ablativus loci / temporis
- Orts- und Zeitbestimmung: „wo / wann?“ im direkten Kontrast mit dem Akkusativ der Richtung („wohin?“) und der Ausdehnung („wie lange?“).
- Beschreibung als „punktuell“ beim Ablativ unglücklich: Kann auch längere Zeiträume bezeichnen (in der Grammatik dann „innerhalb welcher Zeit?“), die Abgrenzung zum Akkusativ liegt aber eher im Rahmen / der Grenze (wenn etwas multis annis, in vielen Jahren, passiert ist, ist diese Zeitspanne vorne und hinten begrenzt).
- Ortsangaben: Städte und kleine Inseln wieder ohne Präposition (ich bin in Karthago, Carthagine sum, aber in Italien, in Italia). Bei Städten und kleinen Inseln der a/o-Deklination im Singular sogar Spuren des alten Lokativs auf -i (ich bin in Rom, Romae sum; ebenso domi, zu Hause, ruri, auf dem Land und humi, auf dem Boden). Ansonsten Ortsangaben tendenziell mit der Präposition in, mit Attribut eher ohne (in loco aber loco idoneo).
- Abweichende Raumvorstellung: etwas irgendwo hin setzen/stellen/legen: ponere in + Ablativ (Hoffnung auf die uirtus setzen, spem in uirtute ponere). Andersherum beim Ankommen, im Lat. mit Akkusativ (ich komme in Rom an, Romam aduenio).
- Zeitangaben: Bei „eigentlichen“ Zeitangaben ohne Präposition (nachts, nocte oder noctu), bei „uneigentlichen“ Zeitangaben mit Präposition (im Krieg sind viele getötet worden, in bello multi interfecti sunt), sobald ein Attribut dazukommt ohne (im Punischen Krieg sind viele getötet worden, bello Punico multi interfecti sunt). Warum? Weil man bello multi interfecti sunt wahrscheinlich als Instrumentalis lesen würde (wäre nicht eindeutig genug).
Ablativus instrumentalis
- Der ganze Rest. Hier umso mehr: Eindeutigkeit. Ohne Präposition ist es ein Instrumental, außer der Kontext legt etwas Anderes näher.
- Instrumentalis im engeren Sinne: „womit / wodurch?“, inklusive Ausdrücke wie pedibus ire, zu Fuß gehen, oder equo uehi, sich mit dem Pferd fortbewegen = reiten.
- Zum Instrumental werden i. d. R. auch die paar Deponentien gezählt, die mit dem Ablativ stehen wie uti, nutzen oder frui, genießen, sowie potiri, sich bemächtigen (außer rerum potiri, die Herrschaft ergreifen, mit Genitiv) und der unpers. Ausdruck opus est, man braucht. Ebenso mit Adjektiven wie refertus, voll, oder dignus, würdig.
- Wenn eine Passivhandlung nicht von einer Sache ausgelöst wurde (z. B. durch einen Sturm, tempestate), sondern von einer Person, steht a/ab, manchmal auch als Extra-Kasusfunktion Ablativus auctoris bezeichnet.
- Ablativus causae: „warum?“ als Grund, ohne Präposition wenn eindeutig (morbo laborare, an einer Krankheit leiden = krank sein), mit Präposition zwecks Eindeutigkeit (ex capite laborare, Kopfschmerzen haben) oder mit einem Extra-Partizip bei inneren Beweggründen (ira commoti, durch Zorn bewegt = aus Zorn).
- Ablativus limitationis/respectus: „in welcher Hinsicht?“, ohne Präposition, zum Beispiel uoluntate similes sunt, mit Blick auf den Willen sind sie sich ähnlich (Willen als Referenzrahmen der Ähnlichkeit).
- Ablativus mensurae: „um wie viel?“, Ablativ des Maßes, gibt bei Vergleichen das Maß an, z. B. nihilo minus, um nichts weniger = nichtsdestoweniger. Eigentlich nur von Mengenangaben (vgl. Abl. pretii) und daher ohne Präposition.
- Ablativus comitativus: „mit wem?“ bei Truppenbewegungen (danke Caesar), der Regel nach kann das cum bei „allgemeinen“ Attributen entfallen (omnibus copiis oder cum omnibus copiis, mit allen Truppen); das cum muss aber stehen, wenn kein Attribut vorkommt (cum exercitu, mit dem Heer) oder wenn es ein bestimmtes Attribut ist (cum tribus legionibus, mit drei Legionen). Merke: Bei Truppenbewegungen cum zu setzen ist immer richtig.
- Deprimierende Anmerkung: Bei Truppenbewegung kann die Präposition entfallen, obwohl es sich um Menschen handelt, weil sie als Mittel gesehen werden. Das gilt in der Regel leider auch für versklavte Menschen in klassischen Texten.
- Ablativus modi: „wie“, mal mit und mal ohne cum, tendentiell ohne, wenn es fast adverbiell ist (iure, zurecht) oder ein Attribut steht (ea lege, unter der Bedingung), aber mit cum, wenn es sonst uneindeutig / zu kurz wäre (cum uirtute uiuere, mit uirtus leben).
- Fazit: Die Präposition kann wegbleiben, wenn der Ablativ dem Kontext nach klar ist (oder wenn es nicht so klar sein muss/soll – siehe vor allem Dichtung). Wenn die Art der Einordnung, die der Ablativ vornimmt, klar sein soll, und es nicht quasi-adverbiell oder aus dem Kontext klar ist, wird eine Präposition gesetzt.
Ein paar schöne Ablative aus der Literatur
- Vergil, Aen. 1.5: multa quoque et bello passus, auch hat er viel erlitten im Krieg / wegen des Krieges / durch den Krieg / während er im Krieg gekämpft hat / … (der Krieg als Rahmen für das Leid)
- Aen. 1.2: fato profugus: ein Geflüchteter durch das Schicksal / wegen des Schicksals / mit dem Schicksal / vor dem Schicksal / … (das fatum als der Rahmen für das ganze Epos)
- Aen. 8.711 magno maerentem corpore Nilum: Möglichkeit 1: „den Nil, mit großem Körper, der trauerte“: Ablativ als Ablativus qualitatis, hier kriegen wir sozusagen die Statur des Nil als Rahmen für die Szene gezeigt. Möglichkeit 2: „den Nil, der über einen großen Körper trauerte / der über den Leichnam Magnus trauerte“: mögliche Anspielung auf Pompeius Magnus („der Große“), der am Nil ägyptischen Intrigen zum Opfer fiel – auch am Ende des Bürgerkriegs von Octavian Augustus gegen Marc Anton und Cleopatra, wo Ägypten final zu einer römischen Provinz wird, ist der Mord an Caesars Gegner am Ende der Republik nicht vergessen. Hier kann man den Ablativ als einen Ablativ des Grundes verstehen: magno corpore gibt den Bezugsrahmen für das Trauern des Nils vor (maerentem), und damit eben den Grund.