Begleitpost zu Aeneis, Buch 02
Die Textstellen, die wir in dieser Folge genauer besprechen, sind:
Aen. 2.195-198:
Talibus insidiis periurique arte Sinonis
credita res, captique dolis lacrimisque coactis
quos neque Tydides nec Larisaeus Achilles,
non anni domuere decem, non mille carinae.
Dank solcher Intrigen und Sinons Lügenkunst
schenkte man der Sache Glauben; und durch List und erzwungene Tränen
wurden wir besiegt, die kein Diomedes, kein Achilleus aus Larisa,
nicht die zehn Jahre bezwungen hatten, nicht tausend Schiffe.
Aen. 2.287–295:
ille nihil, nec me quaerentem uana moratur,
sed grauiter gemitus imo de pectore ducens,
'heu fuge, nate dea, teque his' ait 'eripe flammis.
hostis habet muros; ruit alto a culmine Troia.
sat patriae Priamoque datum: si Pergama dextra
defendi possent, etiam hac defensa fuissent.
sacra suosque tibi commendat Troia penatis;
hos cape fatorum comites, his moenia quaere
magna pererrato statues quae denique ponto.'
Er reagierte nicht, und beachtete nicht, wie ich ihn sinnlos befragte,
sondern er entließ einen lauten Seufzer aus tiefstem Herzen und sagte
“Flieh doch, Göttinnensohn! Und rette dich aus diesen Flammen!
Der Feind hat die Mauern; Troja stürzt von ihrem hohen Gipfel ein.
Genug sind der Heimat und Priamos gegeben: Wenn man Troja mit der
Schwerthand verteidigen könnte, wäre sie schon durch meine bewahrt worden.
Ihre Heiligtümer und ihre Schutzgötter vertraut Troja dir an;
nimm sie als Gefährten auf deinen Schicksalswegen; mit ihnen such hohe
Mauern, die du nach deiner Irrfahrt übers Meer schließlich bauen wirst.”
Aen. 2.347–355
quos ubi confertos ardere in proelia uidi,
incipio super his: 'iuuenes, fortissima frustra
pectora, si uobis audentem extrema cupido
certa sequi, quae sit rebus fortuna uidetis:
excessere omnes adytis arisque relictis
di quibus imperium hoc steterat; succurritis urbi
incensae. moriamur et in media arma ruamus.
una salus uictis nullam sperare salutem.'
sic animis iuuenum furor additus.
Wie ich sie so versammelt voll Kampfeslust sah,
sprach ich über sie hinweg: “Leute, tapferste Herzen – vergeblich!
Wenn ihr wirklich Lust habt, mir, wie ich das Äußerste versuche,
zu folgen: Ihr seht ja, wie die Dinge sich entwickeln.
Verlassen haben alle Götter ihre heiligen Hallen, ihre verwaisten
Altäre, durch die dieses Reich bestand hatte. Ihr eilt einer brennenden Stadt
zur Hilfe. Lasst uns sterben und mitten ins Kampfgeschehen stürzen!
Die einzige Rettung für Besiegte: auf keine Rettung zu hoffen.”
Aen. 2.540–550
at non ille, satum quo te mentiris, Achilles
talis in hoste fuit Priamo; sed iura fidemque
supplicis erubuit corpusque exsangue sepulcro
reddidit Hectoreum meque in mea regna remisit.'
sic fatus senior telumque imbelle sine ictu
coniecit, rauco quod protinus aere repulsum,
et summo clipei nequiquam umbone pependit.
cui Pyrrhus: 'referes ergo haec et nuntius ibis
Pelidae genitori. illi mea tristia facta
degeneremque Neoptolemum narrare memento.
nunc morere.'
“Doch war jener – dein Vater, wie du lügst – Achilleus
nicht so im Umgang mit seinem Feind Priamos. Sondern er hatte Respekt
vor dem Recht und dem Versprechen einem Bittflehenden gegenüber, und gab den
blutlosen Körper Hektors zurück ins Grab und sandte mich in mein Reich zurück.”
So sprach der Alte, und warf einen harmlosen Speer
ohne Kraft, der sofort vom rauen Erz abprallte
und am obersten Buckel des Schildes vergeblich herabhing.
Zu ihm sagte Pyrrhus: “Dann wirst du das meinem Vater Achilleus berichten und
mein Bote sein. Vergiss nicht, ihm meine schlimmen Taten
und von der Verkommenheit seines Sohns Neoptolemos zu erzählen.
Jetzt stirb.”
Aen. 2.707–711 + 721–725
'ergo age, care pater, ceruici imponere nostrae;
ipse subibo umeris nec me labor iste grauabit;
quo res cumque cadent, unum et commune periclum,
una salus ambobus erit. mihi paruus Iulus
sit comes, et longe seruet uestigia coniunx.
…
haec fatus latos umeros subiectaque colla
ueste super fuluique insternor pelle leonis,
succedoque oneri; dextrae se paruus Iulus
implicuit sequiturque patrem non passibus aequis;
pone subit coniunx.
“Also los, lieber Vater, lass dich auf meinen Nacken heben!
Ich stütze dich mit meinen Schultern, und diese Mühe ist mir nicht schwer.
Wie auch immer es weitergeht, eine einzige, gemeinsame Gefahr,
eine Rettung wird es für uns beide geben. Der kleine Iulus
sei mein Begleiter, und in weitem Abstand soll meine Frau mir nachgehen.
…
So sprach ich, und senkte die breiten Schultern und meinen Hals,
bedeckte sie mit Kleidung und darüber mit gelbem Löwenfell
und übernehme die Last; an meine rechte Hand hängte der kleine
Iulus sich und folgte seinem Vater mit stolpernden Schritten;
hinten folgte meine Frau nach.
(Unsere) Textausgabe
P. Vergilii Maronis opera, ed. R. A. B. Mynors, Oxford 1969.
Bibliographie
- R. G. Austin. “Aeneidos Liber Secvndvs. With a commentary by R. G. Austin”. Oxford 1964.
- F. Cairns. “Virgil’s Augustan Epic”. Cambridge 1989.
- D. C. Feeney. “The Taciturnity of Aeneas”. In Harrison 1990, 167–190.
- G. P. Goold. “Servius and the Helen Episode”. In Harrison 1990, 60–126.
- E. L. Harrison. “Divine Action in Aeneid Book 2.” In Harrison 1990, 46–59.
- S. J. Harrison. “Oxford Readings in Vergil’s Aeneid”. Oxford 1990.
- N. M. Horsfall. “Dido in the Light of History”. In Harrison 1990, 127–44.
- W. R. Johnson. “Darkness Visible. A Study of Vergil’s Aeneid”. Berkeley/Los Angeles/London 1976.
- R. O. A. M. Lyne. “Further Voices in Vergil’s Aeneid”. Oxford 1992.
- A. Parry. “The Two Voices of Virgil’s ‘Aeneid’”. In: Arion: A Journal of Humanities and the Classics Vol 2 No 4, 1963, 66-80.
- N. Rudd. “Dido’s culpa”. In Harrison 1990, 145–166.