Begleitpost zu Aeneis, Buch 12 

Die Textstellen, die wir in dieser Folge genauer besprechen, sind:


Aen. 12.430–440

ille auidus pugnae suras incluserat auro

hinc atque hinc oditque moras hastamque coruscat.

postquam habilis lateri clipeus loricaque tergo est,

Ascanium fusis circum complectitur armis

summaque per galeam delibans oscula fatur:

'disce, puer, uirtutem ex me uerumque laborem,

fortunam ex aliis. nunc te mea dextera bello

defensum dabit et magna inter praemia ducet.   

tu facito, mox cum matura adoleuerit aetas,

sis memor et te animo repetentem exempla tuorum

et pater Aeneas et auunculus excitet Hector.'


Er (Aeneas) hingegen hatte, hungrig auf den Kampf, seine Waden schon in Gold geschlossen, von dieser und von der anderen Seite; er kann die Verzögerung nicht leiden und lässt die Lanze funkeln. Nachdem der Schild an die Seite und der Panzer an den Rücken angepasst ist, umschlingt er Ascanius ringsum mit langen Armen, und von weit oben haucht er Küsse durch den Helm und spricht: “Lerne, mein Sohn, Tapferkeit von mir, und echte Mühe – Glück jedoch von anderen. Jetzt wird meine Kampfhand dich im Krieg verteidigen und unter ihren größten Auszeichnungen führen. Du aber sorg dafür, wenn du bald das reife Erwachsenenalter erreicht hast, dass du dich erinnerst; und wenn du im Geist die Vorbilder deiner Vorfahren durchgehst, soll dich dein Vater Aeneas und dein Onkel Hektor anspornen.”



Aen. 12.819–842

illud te, nulla fati quod lege tenetur,

pro Latio obtestor, pro maiestate tuorum:

cum iam conubiis pacem felicibus (esto)

component, cum iam leges et foedera iungent,

ne uetus indigenas nomen mutare Latinos

neu Troas fieri iubeas Teucrosque uocari   

aut uocem mutare uiros aut uertere uestem.

sit Latium, sint Albani per saecula reges,

sit Romana potens Itala uirtute propago:

occidit, occideritque sinas cum nomine Troia.'

olli subridens hominum rerumque repertor:

'es germana Iouis Saturnique altera proles,

irarum tantos uoluis sub pectore fluctus.

uerum age et inceptum frustra summitte furorem:

do quod uis, et me uictusque uolensque remitto.

sermonem Ausonii patrium moresque tenebunt,

utque est nomen erit; commixti corpore tantum

subsident Teucri. morem ritusque sacrorum

adiciam faciamque omnis uno ore Latinos.

hinc genus Ausonio mixtum quod sanguine surget,

supra homines, supra ire deos pietate uidebis,

nec gens ulla tuos aeque celebrabit honores.'

adnuit his Iuno et mentem laetata retorsit;

interea excedit caelo nubemque relinquit.


“Das aber, was von keinem Gesetz des Schicksals befangen ist, bitte ich dich um Latiums Willen, um der Würde der Deinen willen: Wenn sie schon Frieden mit glücklicher Hochzeit (so be it) schließen werden, wenn sie schon Gesetze und Bündnisse einen werden – dass du dann nicht auch noch befiehlst, die Latiner, die hier immer schon waren, müssten ihren alten Namen ändern, oder sie müssten Trojaner werden oder Trojaner genannt werden, oder die Männer müssten ihre Sprache ändern oder ihre Kleider wechseln. Durch die Jahrhunderte soll Latium, sollen die Könige Albas, soll die römische Nachkommenschaft stark sein durch die Tapferkeit der Italer: Gefallen ist, und gefallen mögest du  sein lassen Troja, zusammen mit seinem Namen.”
Sie lächelte der Erfinder der Menschen und der Welt gütig an: “Du bist die Schwester Iuppiters, das andere Kind Saturns, und solche Ströme des Zorns wälzt du in deinem Herzen. Aber nun los, bezähme das Rasen, das du vergeblich begonnen hast: Ich gebe dir, was du willst, und ich nehme mich, besiegt und freiwillig, zurück. Die Italer werden die Sprache ihrer Vorfahren und deren Traditionen bewahren; ihr Name wird so bleiben, wie er ist. Beigemischt nur im Körper werden die Trojaner weiter bestehen. Brauchtum und Opferriten will ich hinzufügen und alle mit einer gemeinsamen Sprache zu Latinern machen. Von da an wirst du ein gemischtes Volk, das sich aus dem Blut der Italer erhebt, erblicken, das die Menschen, die Götter an Pflichtbewusstsein übertrifft, und kein Volk wird Ehrerbietung für dich in vergleichbarer Weise feiern.”

Diesen Worten gab Iuno ihre Zustimmung und änderte ihr Sinnen erfreut ins Gegenteil; dabei wich sie vom Himmel und verließ ihre Wolke.



Aen. 12.926–952 

 incidit ictus

ingens ad terram duplicato poplite Turnus.

consurgunt gemitu Rutuli totusque remugit

mons circum et uocem late nemora alta remittunt.

ille humilis supplex oculos dextramque precantem

protendens 'equidem merui nec deprecor' inquit;

'utere sorte tua. miseri te si qua parentis

tangere cura potest, oro (fuit et tibi talis

Anchises genitor) Dauni miserere senectae

et me, seu corpus spoliatum lumine mauis,

redde meis. uicisti et uictum tendere palmas

Ausonii uidere; tua est Lauinia coniunx,

ulterius ne tende odiis.' stetit acer in armis

Aeneas uoluens oculos dextramque repressit;

et iam iamque magis cunctantem flectere sermo

coeperat, infelix umero cum apparuit alto

balteus et notis fulserunt cingula bullis

Pallantis pueri, uictum quem uulnere Turnus

strauerat atque umeris inimicum insigne gerebat.

ille, oculis postquam saeui monimenta doloris

exuuiasque hausit, furiis accensus et ira

terribilis: 'tune hinc spoliis indute meorum

eripiare mihi? Pallas te hoc uulnere, Pallas

immolat et poenam scelerato ex sanguine sumit.'

hoc dicens ferrum aduerso sub pectore condit

feruidus; ast illi soluuntur frigore membra

uitaque cum gemitu fugit indignata sub umbras.


Getroffen stürzt 

der gewaltige Turnus zu Boden, das Knie gebeugt. Mit einem Schrei 

springen die Rutuler auf, und es stöhnt wider das ganze

Gebirge ringsum, die tiefen Wälder schicken den Klang in die Weite.

Er aber, erniedrigt und flehend, die bittende Rechte

ausstreckend, sagt: “Ich habs freilich verdient und erbitte nichts anderes:

nutze deine Gelegenheit. Wenn aber Sorge um einen armen 

Vater dich rühren kann: Bitte – auch du hattest ja einen solchen 

Vater in Anchises – erbarme dich des Alters von Daunus

und gib mich, oder meinen Körper, wenn es dir lieber ist, 

des Lebenslichts beraubt den Meinen zurück. Du hast gesiegt

und die Italer haben den Besiegten die Hände strecken gesehen. Dein ist

Lavinia als Ehefrau. Geh nicht weiter im Hass!” Wild stand in Waffen

Aeneas, ließ die Augen wandern und hielt die Schwerthand zurück;

und nach und nach immer mehr begann die Rede den Zögernden

zu wenden – als unheilvoll an der hohen Schulter ihm ins Auge fiel

der Waffengurt und der Gürtel mit den bekannten Knöpfen funkelte,

der Gurt des jungen Pallas, den Turnus bezwungen und mit einer Wunde

niedergestreckt hatte; und nun trug auf den Schultern er den Schmuck des Feindes.

Aeneas aber, nachdem seine Augen die Erinnerung an schlimmen Schmerz

und die Rüstung erfasst hatten, von Raserei entflammt und schrecklich

im Zorn, rief: “Du, gekleidet in die Beute der Meinen, sollst von hier

mir entrissen werden?! Pallas, ja Pallas opfert mit dieser 

Wunde dich, und lässt dich büßen mit deinem Verbrecherblut!”

Dies sagend, ließ er das Schwert von vorne in den Grund der Brust sinken

wutentbrannt; doch dem anderen erschlafften in Kälte die Glieder

und sein Leben, mit einem Ächzen, floh unwillig hinab zu den Schatten. 



(Unsere) Textausgabe

P. Vergilii Maronis opera, ed. R. A. B. Mynors, Oxford 1969.



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