Catull
Das hier ist der Begleitpost zu unserer dritten Podcast-Folge mit den erwähnten Gedichten. Die lateinischen Texte sind der PHI Datenbank entnommen. Alle Übersetzungen stammen von Patrick.
c. 85
(berühmtes 'Liebes'gedicht)
Odi et amo. quare id faciam, fortasse requiris.
nescio, sed fieri sentio et excrucior.
Ich hasse, ich liebe. Warum tu ich das bloß, fragst du vielleicht.
Weiß nicht, doch dass es geschieht, spür‘ ich und foltere mich.
c. 1
(programmatisches Widmungsgedicht)
Cui dono lepidum novum libellum
arido modo pumice expolitum?
Corneli, tibi: namque tu solebas
meas esse aliquid putare nugas
iam tum, cum ausus es unus Italorum
omne aevum tribus explicare chartis,
doctis, Iuppiter, et laboriosis.
quare habe tibi quidquid hoc libelli,
qualecumque quidem, patroni ut ergo
plus uno maneat perenne saeclo.
Wem geb ich nur das zarte, neue Büchlein,
mit trockenem Bimsstein eben erst geglättet?
Cornelius, dir: denn du hast auch immer
geglaubt, dass meine Nichtigkeiten doch Etwas sind –
schon damals, als du es als einziger der Italer gewagt,
die ganze Weltzeit in drei Rollen auszubreiten,
gelehrten, bei Gott, und voller Arbeit!
Daher nimm dieses Wasauchimmer von Büchlein an,
wie auch immer es eben ist, damit es dank seines Schirmherren
mehr als ein Jahrhundert ewig bleibt.
c. 51
(Sappho-Übersetzung)
Ille mi par esse deo videtur,
ille, si fas est, superare divos,
qui sedens adversus identidem te
spectat et audit
dulce ridentem, misero quod omnes
eripit sensus mihi: nam simul te,
Lesbia, aspexi, nihil est super mi
<vocis in ore;>
lingua sed torpet, tenuis sub artus
flamma demanat, sonitu suopte
tintinant aures geminae, teguntur
lumina nocte.
otium, Catulle, tibi molestumst:
otio exsultas nimiumque gestis:
otium et reges prius et beatas
perdidit urbes.
Jener scheint mir einem Gotte gleich zu sein,
jener sogar – darf ich’s sagen? – die Göttlichen zu übertreffen,
der, dir gegenüber sitzend, immerwährend
dich sieht und hört,
wenn du lieb lachst – was mir Armem alle
Sinne raubt: denn sobald ich dich,
Lesbia, ansehe, bleibt mir nichts mehr.
Meine Zunge lahmt, in meine zarten Glieder
gleitet eine Flamme, durch eigenen Schall
klingeln die Ohren, von Zwillingsnacht
werden die Augen verdunkelt.
Nichtstun, Catull, ist für dich ein Unglück:
Im Nichtstun lebst du auf und bist zu ausgelassen.
Nichtstun hat davor schon Könige und reiche
Städte vernichtet.
c. 49
(Invektive - or is it? - an Cicero)
Disertissime Romuli nepotum,
quot sunt quotque fuere, Marce Tulli,
quotque post aliis erunt in annis,
gratias tibi maximas Catullus
agit pessimus omnium poeta,
tanto pessimus omnium poeta,
quanto tu optimus omnium patronus.
Beredtester von Romulus‘ Enkeln,
so viele es gibt und gab, Marcus Tullius,
und so viele es geben wird in später’n Jahren:
größten Dank sagt dir Catullus,
schlechtester Dichter von allen,
so sehr schlechtester Dichter von allen,
wie du von allen der beste Anwalt bist.
c. 16
(Invektive; explizit. CN sexualisierte Gewalt)
Pedicabo ego vos et irrumabo,
Aureli pathice et cinaede Furi,
qui me ex versiculis meis putastis,
quod sunt molliculi, parum pudicum.
nam castum esse decet pium poetam
ipsum, versiculos nihil necessest;
qui tum denique habent salem ac leporem,
si sunt molliculi ac parum pudici
et quod pruriat incitare possunt,
non dico pueris, sed his pilosis,
qui duros nequeunt movere lumbos.
vos, quod milia multa basiorum
legistis, male me marem putatis?
pedicabo ego vos et irrumabo.
Ich steck ihn euch hinten und vorne rein,
Bückstück Aurelius und Toyboy Furius,
die ihr aufgrund meiner Verschen mich hieltet,
weil sie etwas anzüglich sind, für wenig anständig.
Denn: Zurückhaltend muss ein braver Dichter sein,
er selbst – die Verse müssen das gar nicht.
Die haben erst dann Pfeffer und Witz,
wenn sie anzüglich und wenig anständig sind,
und ein Prickeln hervorrufen können –
und ich meine nicht nur bei den Jungen, sondern diesen haarigen
Gesellen, die die starren Glieder nicht bewegen können.
Weil ihr von vielen tausend Küssen
gelesen habt, haltet ihr mich für zuwenig Mann?
Ich steck ihn euch hinten und vorne rein.
c. 13
('Einladung' an Fabullus)
Cenabis bene, mi Fabulle, apud me
paucis, si tibi di favent, diebus,
si tecum attuleris bonam atque magnam
cenam, non sine candida puella
et vino et sale et omnibus cachinnis.
haec si, inquam, attuleris, venuste noster,
cenabis bene: nam tui Catulli
plenus sacculus est aranearum.
sed contra accipies meros amores
seu quid suavius elegantiusvest:
nam unguentum dabo, quod meae puellae
donarunt Veneres Cupidinesque;
quod tu cum olfacies, deos rogabis,
totum ut te faciant, Fabulle, nasum.
Gut wirst du dinieren, lieber Fabullus, bei mir,
in wenigen, so dir die Götter gewogen sind, Tagen,
wenn du mit dir bringst ein gutes und großes
Dinner, nicht ohne hübsches Mädchen
und Wein und Salz und viel Gelächter.
Jawohl, wenn du diese Dinge bringst, mein Bester
wirst du gut dinieren – denn deines Catull
Börse ist voll, von Spinnenweben.
Aber im Gegenzug erhältst du reine Liebe,
oder was sonst reizvoll und erlesen ist.
Denn ein Destillat will ich dir geben, dass meinem Mädchen
schenkten die Lüste und Begierden.
Wenn du daran riechst, wirst du die Götter bitten,
sie möchten dich ganz, Fabull, zur Nase machen.
c. 101
(Tod des Bruders; CN Trauer)
Multas per gentes et multa per aequora vectus
advenio has miseras, frater, ad inferias,
ut te postremo donarem munere mortis
et mutam nequiquam alloquerer cinerem,
quandoquidem fortuna mihi tete abstulit ipsum,
heu miser indigne frater adempte mihi.
nunc tamen interea haec, prisco quae more parentum
tradita sunt tristi munere ad inferias,
accipe fraterno multum manantia fletu,
atque in perpetuum, frater, ave atque vale!
Durch viele Völker und viele Meere gereist,
komme ich, mein Bruder, zu dieser traurigen Unterwelt,
um dich mit dem letzten Geschenk des Todes zu beehren
und die stumme – und vergeblich! – Asche anzusprechen,
weil ja der Weltenlauf dich selbst mir genommen hat,
ach, armer Bruder, mir so unwürdig genommen!
Nun aber trotzdem: Das, was nach alter Sitte der Vorfahren
mit trauriger Gabe an die Unterwelt übergeben wurde,
nimm an, ganz durchnässt von den Tränen des Bruders,
und für immer, mein Bruder, sei gegrüßt und lebe wohl!
c. 10
(Catull im battle of wits)
Varus me meus ad suos amores
visum duxerat e foro otiosum,
scortillum, ut mihi tum repente visumst,
non sane illepidum neque invenustum.
huc ut venimus, incidere nobis
sermones varii, in quibus, quid esset
iam Bithynia, quo modo se haberet,
ecquonam mihi profuisset aere.
respondi, id quod erat, nihil neque ipsis
nunc praetoribus esse nec cohorti,
cur quisquam caput unctius referret,
praesertim quibus esset irrumator
praetor, nec faceret pili cohortem.
'at certe tamen,' inquiunt 'quod illic
natum dicitur esse, comparasti
ad lecticam homines.' ego, ut puellae
unum me facerem beatiorem,
'non' inquam 'mihi tam fuit maligne,
ut, provincia quod mala incidisset,
non possem octo homines parare rectos.'
at mi nullus erat nec hic neque illic,
fractum qui veteris pedem grabati
in collo sibi collocare posset.
hic illa, ut decuit cinaediorem,
'quaeso,' inquit mihi 'mi Catulle, paulum
istos commoda! nam volo ad Serapim
deferri.' 'mane,' inquii puellae,
'istud quod modo dixeram me habere,
fugit me ratio: meus sodalis,
Cinnast Gaius, is sibi paravit.
verum, utrum illius an mei, quid ad me?
utor tam bene quam mihi paratis.
sed tu insulsa male et molesta vivis,
per quam non licet esse neglegentem.'
Mein Freund Varus hatte mich zu seiner Liebschaft,
damit ich sie sehe, vom Forum weggeführt, da ich nichts zu tun hatte –
eine kleine Professionelle, wie mir sofort klar war,
aber nicht profan und auch nicht unhübsch.
Sobald wir da ankamen, gerieten wir in
verschiedene Gespräche, darunter, was mit
Bithynien sei, wie man dort zurechtkomme,
ob es mir pekuniär etwas gebracht habe.
Ich antwortete, was der Fall war: Dass es keinen Anlass
für die Prätoren selbst noch für die Truppen gab,
warum einer mit parfümierterem Haupt zurückkehren sollte.
Zumal sie einen Schwanzlutschen-Lasser hätten
als Prätor, der sich kein Haarbreit um die Truppen scherte.
„Aber sicher hast du“, sagten sie, „was dort
entstanden sein soll, erworben:
Menschen als Träger für eine Sänfte.“ Ich, um beim Mädchen
als einen Begüterten mich darzustellen, sagte:
„Nein, so schlecht ist’s mir nicht ergangen,
dass ich, weil eine schlechte Provinz mir zufiel,
nicht acht aufrechte Menschen hätte kaufen können.“
Dabei hatte ich gar keinen, weder hier noch dort,
der den morschen Fuß des alten Feldbetts
sich auf den Nacken wuchten hätte können.
Da sagt sie, wie es zu einer Horizontaleren passt,
zu mir: „Bitte, lieber Catull, nur kurz
leih mir die! Denn ich will mich nach Serapis
tragen lassen!“ „Wart kurz“, sag‘ ich zum Mädchen,
„wegen dem, was ich gerade zu besitzen behauptet,
da hat mich mein Verstand im Stich gelassen: Mein Kamerad,
Gaius Cinna heißt er, der hat die gekauft.
Im Ernst, ob seine oder meine, was interessiert’s mich?
Ich gebrauch sie ebenso gut als ob ich sie gekauft hätte.
Du aber verbringst zu deinem Übel ein dümmliches und lästiges Dasein,
denn nach deiner Ansicht ist Unaufmerksamkeit ein Verbrechen.“
c. 46
(Auf Reisen)
Iam ver egelidos refert tepores,
iam caeli furor aequinoctialis
iucundis Zephyri silescit auris.
linquantur Phrygii, Catulle, campi
Nicaeaeque ager uber aestuosae:
ad claras Asiae volemus urbes.
iam mens praetrepidans avet vagari,
iam laeti studio pedes vigescunt.
o dulces comitum valete coetus,
longe quos simul a domo profectos
diversae varie viae reportant!
Schon bringt der Frühling die laue Wärme wieder;
schon schweigt das Rasen des herbstlichen
Wetters in den angenehmen Lüftchen des Westwinds.
Man verlässt, Catull, die phrygischen Felder,
und den üppigen Acker des flirrenden Nicaea:
Zu den berühmten Städten Asiens wollen wir fliegen!
Schon giert der vorfreudige Geist nach Umherschweifen,
schon erstarken die Füße in Freude über die Anstrengung.
Ihr lieben Gruppen von Begleitern, lebt wohl,
die euch, zugleich von zuhause aufgebrochen und nun fern,
geteilte Wege unterschiedlich heimwärts führen.