Ovid-Übersetzungen
Hier findet ihr noch einmal alle in der Folge besprochenen Texte versammelt.
a) lateinische Originaltexte
1. Ovid, Metamorphosen Buch 1, Verse 1–4 - Prooemium:
In noua fert animus mutatas dicere formas
corpora. di, coeptis (nam uos mutastis et illa)
adspirate meis primaque ab origine mundi
ad mea perpetuum deducite tempora carmen.
(zitiert nach Anderson)
2. Vergil, Ekloge 6, Verse 3–5
cum canerem reges et proelia, Cynthius aurem
uellit et admonuit: 'pastorem, Tityre, pinguis
pascere oportet ouis, deductum dicere carmen.
(zitiert nach Mynors)
Übersetzung:
“Als ich von Königen und Schlachten sang, zupfte mich der Dichtergott am Ohr und mahnte: “Tityrus, ein Hirte soll fette Schafe weiden, aber ein versponnenes Gedicht vortragen.”
3. Servius ad Vergil ecl. 6.5
DEDVCTVM DICERE CARMEN tenue: translatio a lana, quae
deducitur in tenuitatem.
Übersetzung:
“ein versponnenes Gedicht vortragen”: d.h. “ein feines”. Das ist eine Metapher aus dem Bereich der Wolle, welche zum Zweck der Verfeinerung versponnen wird.”
b) Deutsche Übersetzungen der Metamorphosen
bis auf v. Albrecht 1994 und Holzberg 2017 alle zitiert nach Schmitzer 2016
1. Johann Georg Schmid(t), 1712
Ich hab mir vorgenommen zu beschreiben / wie die Cörper in andere Gestalten sich verkehret. Ihr Götter, die ihr diese Wunderwerck verrichtet / seyd meinem Vorhaben geneigt und führet mein Gedicht glücklich von dem Anfang der Welt biß auff meine Zeit.
2. Johann Balthasar Sedlezki, 1763
Ich fühle einen Trieb von körperlichen Dingen,
Die sich in andere veränderten, zu singen.
Ihr, große Götter wißts, wie dieß geschehen sey.
Denn Ihr habt sie verkehrt. Drum steht mir jetzo bey,
Und laßt mich mein Gesang auf diese meine Zeiten
Vom Anbeginn der Welt ununterbrochen leiten!
3. Johann Samuel Safft, 1766
Ich habe mir vorgesetzet, die in so viele neue Gestalten verwandelten Körper zu besingen. Beglücket, o ihr Götter! Mein Vorhaben, (denn eben ihr seyd es, welche dieselben verwandelt habet) und führet mein Lied, vom Anfange der Welt, bis auf jetzige Zeiten.
4. August von Rode, 1791
In neue Gestalten verwandelte Körper will ich singen. Ihr Götter, seid meinem Unternehmen hold, (denn auch ihre Verwandlung ist ja euer Werk) und leitet meinen Gesang vom Urbeginne der Welt ununterbrochen fort bis auf meine Zeit.
5. Johann Georg Karl Schlüter, 1786
Von der Dinge Verwandlung in fremde Gestalten zu singen
Streb ich! Ihr Götter! Denn ihr, ihr habt sie verwandelt, begeistert
Mein Beginnen, und leitet vom ersten Werden der Welt an,
Mein fortdauerndes Lied bis auf meine Zeit herüber.
6. Gerhard Fink, 1989
Vorrede
In neue Gestalten verwandelte Wesen will ich besingen.
Ihr Götter, seid gnädig meinem Beginnen, denn ihr habt ja auch jene verwandelt, und leitet meinen Gesang vom Urbeginn der Welt ununterbrochen fort bis auf meine eigene Zeit.
7. Michael von Albrecht, 1994
Vorwort des Dichters
Von Gestalten zu künden, die in neue Körper verwandelt wurden, treibt mich der Geist. Ihr Götter – habt ihr doch jene Verwandlugnen bewirkt –, beflügelt mein Beginnen und führt meine Dichtung ununterbrochen vom allerersten Ursprung der Welt bis zu meiner Zeit!
8. Niklas Holzberg, 2017
Wie sich in neue Körper Gestalten verwandelten, treibt’s zu
künden mich. Götter, dem Plan – denn ihr habt den auch verwandelt –
haucht euren Atem ein, und vom ersten Ursprung des Kosmos
führt bis in meine Zeit meine Dichtung ununterbrochen.
c) Englische Übersetzungen
1. Mary M. Innes, 1955
My purpose is to tell of bodies which have been transformed into shapes of a different kind. You heavenly powers, since you were responsible for those changes, as for all else, look favourably on my attempts, and spin an unbroken thread of verse, from the earliest beginnings of the world, down to my own times.
2. Frank Justus Miller / G. P. Goold, 1977
My mind is bent to tell of bodies changed into new forms. Ye gods, for you yourselves have wrought the changes, breathe on these my undertakings, and bring down my song in unbroken strains from the world’s very beginning even unto the present time.
A. D. Melville, 1986
Of bodies changed to other forms I tell;
You Gods, who have yourselves wrought every change,
Inspire my enterprise and lead my lay
In one continuous song from nature's first
Remote beginnings to our modern times.
Dazu die Anmerkung: the text is disputed. Ovid may have written 'changed that [sc. my enterprise] too' -- a condensed and allusive reference to the conventional theophany in which a god intervenes to head the poet off unsuitable themes, as in the influential proem to Callimachus' Aetia and in Virgil's Sixth Eclogue.
d) Unklassisch-Übersetzungen
Jana:
Zu Neuem drängt der Sinn, dazu, von veränderten Gestalten zu erzählen, zu neuen Körpern: Ihr Götter, haucht meinen Anfängen Leben ein (denn ihr habt auch sie verändert) und führt vom ersten Ursprung der Welt bis in meine Zeit hinab in einem fort das Gedicht.
Patrick:
Neuem treibt es mich zu, von Gestalten, verwandelt in neue
Körper zu erzählen. Meine Pläne, ihr Götter – habt ihr doch auch diese verändert! –
sollt ihr beflügeln! Und vom ersten Ursprung der Welt an
bis zu meiner Zeit hin spinnt in einem fort mein Gedicht!
Literaturangaben
- Ovidii Metamorphoses. Ed. W. S. Anderson. 5. Auflage Stuttgart/Leipzig 1993.
- P. Vergilii Maronis opera. Ed. R. A. B. Mynors. Oxford 1968
- Servii Grammatici Qui Feruntur in Vergilii Bucolica et Georgica Commentarii. Vol. 3.1. Ed. G. Thilo. Leipzig 1887.
- Ovid. Metamorphosen. Hg. und üs. v. Niklas Holzberg. Berlin–New York 2017.
- Ovid. Metamorphosen. Hg. und üs. v. Michael v. Albrecht. Stuttgart 1994.
- Ovid. Metamorphoses. Üs. v. Mary M. Innes. London 1955.
- Ovid. Metamorphoses. Hg. und üs. v. Frank Justus Miller, überarbeitet v. G. P. Goold. 3 vols. 3. Auflage Cambridge, MA, 1977.
- Ovid. Metamorphoses. Üs. v. A. D. Melville. Oxford 1986.
- Schmitzer, Ulrich: "Ovids Verwandlungen verteutscht. Übersetzungen der Metamorphosen seit dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit bis zum Ende des 20. Jahrhunderts." In: Kitzbichler, Josefine und Ulrike C. A. Stephan (Hgg.): Studien zur Praxis der Übersetzung antiker Literatur. Geschichte – Analysen – Kritik. Berlin--New York 2016. S. 113--245